LichtenbergMarzahnPlus: Telemedizin noch in Kinderschuhen


27.11.2015 Meldungen

Akzeptanz steigt
1.004 Interviews wurden für die repräsentative Erhebung vom 14. bis 19. Oktober per Zufallsstichprobe bundesweit geführt. Die Zahlen zeigen, dass die Akzeptanz der Bürger zur Nutzung elektronischer und digitaler Hilfsmittel steigt, sowohl bei der Behandlung von Krankheiten durch Ärzte als auch bei der Verschreibung, Bestellung und Lieferung von Medikamenten. So gaben 32 Prozent der Befragten an, wenn sie die Wahl hätten, würden sie manchmal eine Online-Video-Sprechstunde mit dem Arzt als Alternative zum persönlichen Besuch vorziehen. Zehn Prozent würden dies so oft wie möglich nutzen, um zum Beispiel Blutwerte zu besprechen, bei Hautproblemen oder bei Fragen zu Medikamenten. In der Altersgruppe der 18 bis 29-Jährigen liegt der Anteil sogar bei 18 Prozent.

Revierkämpfe
Hartmut Deiwick, Kaufmännischer Leiter bei Aponeo, der die Umfrage initiiert hatte, sagte: „Online-Video-Sprechstunden würden es auch den behandelnden Ärzten ermöglichen, sich bei Bedarf mit den Patienten in Verbindung zu setzen.“ Die Telemedizin sei in Deutschland seit zehn Jahren auf der politischen Agenda. Trotzdem stecke sie immer noch in den Kinderschuhen. Die Bremse seien andauernde Revierkämpfe in der Gesundheitswirtschaft. „Was für die Patienten am besten wäre, ist da oft zweitrangig“, so der Aponeo-Leiter.

Tagesgleiche Lieferung auf Rezept
Seit Februar dieses Jahres bietet Aponeo als bisher einzige Versandapotheke Deutschlands Berliner Kunden die tagesgleiche Lieferung auch von rezeptpflichtigen Medikamenten bis an die Wohnungstür an. Bisher ist es jedoch noch so, dass vorher per Kurier das Papier-Rezept beim Kunden abgeholt werden muss. Erst wenn es bei der Versandapotheke vorliegt, darf ausgeliefert werden. „Wir setzen uns schon seit langem für die Einführung des elektronischen Rezeptes ein“, sagte Hartmut Deiwick. Im Entwurf des sogenannten E-Health-Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen, das im Juli seine erste Lesung im Deutschen Bundestag hatte, würde diese Möglichkeit jedoch nicht einmal erwähnt. In der Befragung äußerten immerhin elf Prozent, sie würden digitale Rezepte an eine Online-Apotheke senden, um ohne Mehrkosten die Medikamente nach Hause geliefert zu bekommen – wenn dies möglich wäre. Bei den 18 bis 29-Jährigen sind es sogar 18 Prozent. 19 Prozent würden das digitale Rezept an eine stationäre Apotheke vor Ort senden und sich die Arzneien dort abholen.

Rechtliche Grundlagen hinken hinterher
„Technisch ist mittlerweile vieles möglich“, sagte Udo Sonnenberg, Geschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Versandapotheken. „Aber es stehen viele rechtliche Grundlagen noch aus.“ Die digitale Erstellung und Bearbeitung von Medikationsplänen (Pläne zur Arzneimittelbehandlung) mit dem elektronischen Rezept als „Königsanwendung“ sei „hochgradig sinnvoll“. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch Medikationsfehler führen deutschlandweit jährlich zu rund 500.000 Krankenhausnotaufnahmen. „Das könnte sofort unterbunden werden“, so der Geschäftsführer. Dänemark, Estland und Belgien seien in dieser Hinsicht schon viel weiter. In Deutschland fielen immer noch jährlich 800 Millionen Papierrezepte an, die auch hohe Kosten verursachten.

Nur wegen Rezept zum Arzt?
76 Prozent der Befragten befürworten die Nutzung von technischen Geräten, welche die Gesundheit unterstützen sollen, wie beispielsweise Blutzuckermessgeräte oder intelligente Uhren, die den Herzschlag messen. 55 Prozent der Diabetiker unter den Befragten erklärten, dass sie ein Mal pro Quartal nur deshalb zum Arzt gingen, um sich ein Rezept zu holen. Auch Mathias Bosse, Head Finance & Administration bei der Emperra GmbH, ist überzeugt, dass die bedarfsgerechte Lieferung, zum Beispiel von Insulin und Blutzuckerteststreifen, durch elektronische Rezepte viel effektiver gestaltet werden könnte. „Die Arztpraxen würden entlastet, für die Patienten wäre es bequemer und Kosten würden auch noch gespart“, sagte er.

Aponeo, BVDVA und Emperra wollen sich gemeinsam für einheitliche digitale Standards im Gesundheitswesen stark machen und bei digitalen Projekten weiter kooperieren. Dem Datenschutz soll dabei ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Der Prozess beginne gerade. Das E-Health-Gesetz, das noch nicht verabschiedet ist, könne nur der Anfang sein.


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