Wettbewerbszentrale Urteile im Gesundheitswesen - hier: Apotheken


03.11.2015 Kooperationspartner

Das Urteil war keine große Überraschung: Der Bundesgerichtshof hat im Februar 2014 mehrere Apotheker zurUnterlassung verurteilt, die unter dem Motto „Günstige Holland-Preise“ für einen besonderen Einkaufsservice warben (BGH, Urteil vom 26.02.2014, Az. I ZR 77/09; F 4 0346/08). Kunden konnten ihre Bestellung in der deutschen Apotheke abgeben, die (auch rezeptpflichtigen) Medikamente wurden über eine Apotheke mit Sitz in den Niederlanden in die deutsche Apotheke geliefert. Dies führt zu erheblichen Preisvorteilen für den Kunden. Da der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes zuvor bereits die Frage bejaht hatte (Beschluss vom 22.08.2012, GmS-06B 1/10), ob die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis auch für eine niederländische Apotheke gelten, die den deutschen Kunden beliefert, schloss sich der BGH dieser Rechtsprechung an. Die Besonderheit des Falles bestand aber darin, dass per vertraglicher Verpflichtung zwischen Kunde und Versandapotheke der Erfüllungsort in die Niederlande verlegt wurde. Die Gegenseite berief sich darauf, dass die Abgabe der Arzneimittel in den Niederlanden stattfinde. Der BGH machte allerdings sehr deutlich, dass die hinsichtlich des Erfüllungsorts getroffene Regelung allein der Umgehung des deutschen Arzneimittelpreisrechts diene. Damit hat der BGH erneut gezeigt, dass er deutsches Arzneimittelpreisrecht nicht nur bei ausländischen Anbietern anwenden will, sondern auch Umgehungen nicht duldet.

Das Oberlandesgericht München untersagte ebenfalls ein Apotheken-Abholmodell (OLG München, Urteil vom 26.06.2014, Az. 29 U 800/13; F 4 0044/11). Auch in diesem Fall sollten die Arzneimittel nicht aus dem Sortiment der deutschen Apotheke abgegeben, sondern über eine niederländische Apotheke bestellt werden. Der Kunde erhielt dafür Preisnachlässe auf die Zuzahlung oder einen Warengutschein. Der Vorteil für den teilnehmenden Apotheker bestand in einer umsatzabhängigen Provision für die Vermittlung von Bestellungen an die niederländische Apotheke. Das OLG bejahte die Geltung der Preisbindungsvorschriften. Das eigentlich Bemerkenswerte an der Entscheidung ist allerdings, dass das OLG darüber hinaus die Auffassung vertrat, das vertragliche Konstrukt verstoße gegen § 4 Nr. 1 UWG, weil es die Entscheidungsfreiheit der beteiligten Apotheker unangemessen, unsachlich beeinflusse. Das Gericht begründete dies mit der besonderen Pflicht des Apothekers, auch die Interessen seiner Kunden zu wahren. Finanzielle Anreize wie Provisionen seien geeignet, diese Pflicht zu verletzen. Für den deutschen Apotheker sei es wirtschaftlich günstiger, den Kunden auf die niederländische Apotheke zu verweisen, als das benötigte Arzneimittel aus dem eigenen Sortiment abzugeben. Das begründet nach Auffassung des Gerichts die Gefahr, dass der Apotheker im Einzelfall die gesundheitlichen Interessen seines Kunden vernachlässigt und im Hinblick auf den finanziellen Vorteil auf das Abholmodell verweist. Die vom OLG München entwickelten Grundsätze dürften auch für ähnliche, bereits bestehende oder geplante Kooperationsmodelle interessant sein. Die Entscheidung macht deutlich, dass im Gesundheitsbereich der Einflussnahme Dritter auf die Unabhängigkeit der Apotheker Schranken gesetzt sind.

Ein weiteres Schwerpunktthema ist die Preiswerbung in Apotheken mit dem sogenannten Lauer-Taxe-Preis. Dies ist der Preis, den der pharmazeutische Hersteller nach § 78 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) für den Fall hinterlegen muss, dass die Krankenkasse ausnahmsweise ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel erstattet. Dieser Preis wird in der Werbung von Apothekern als Bezugspreis verwendet, der dem eigenen, niedrigeren Preis gegenübergestellt wird, womit dem Verbraucher eine erhebliche Preisersparnis suggeriert wird. Er wird häufig als „AVP“ (= Apothekenverkaufspreis) oder ähnlich bezeichnet. Das Kammergericht hat die Werbung mit dem „AVP“ als unzulässig und irreführend untersagt (KG, Urteil vom 17.01.2014, Az. 5 U 89/13; F 4 0556/12). Es begründete dies mit der unzutreffenden Erwartung des Kunden, der unter einem „AVP“ einen vom Pharmahersteller unverbindlich vorgegebenen Preis für die Abgabe an den Verbraucher versteht. Selbst die ausführlichen Erläuterungen zum „AVP“ halfen dem Apotheker nicht weiter. Das Gericht meinte, dass der Verbraucher gar keinen Anlass habe, sich diese Erläuterungen durchzulesen. Und selbst wenn sich der Verbraucher die Mühe mache, so verstärkten die Ausführungen eher seine Vorstellung, dass es sich um eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers handele. Ähnlich urteilten das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. (Urteil vom 20.03.2014, 6 U 237/12; F 4 0866/11), das Landgericht Hamburg (Urteil vom 14.01.2014, Az. 312 O 139/13; F 4 0713/12, nicht rechtskräftig) und das Landgericht Heilbronn (Urteil vom 18.09.2014, Az. 21 O 65/14; F 4 0120/14, nicht rechtskräftig). Lediglich das Landgericht Braunschweig kam zu dem Ergebnis, dass der Preis nach § 78 Abs. 3 AMG „gewissermaßen als unverbindliche Preisempfehlung der Hersteller“ anzusehen ist (LG Braunschweig, Urteil vom 07.11.2013, Az. 22 O 1125/13; F 4 0155/13, nicht rechtskräftig). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der ganz überwiegende Teil der Gerichte die Bezugnahme auf einen „AVP“ im konkreten Fall jeweils für irreführend hielt. Fraglich ist aber bereits, ob der Lauer-Taxe-Preis nicht unabhängig von der konkreten Gestaltung bereits deshalb kein relevanter Bezugspreis ist, weil es sich um einen Abrechnungspreis zwischen Krankenkasse und Apotheke handelt, nicht aber um einen für den Verbraucher relevanten Preis. Letztlich werden dies die Gerichte entscheiden müssen.

Auch Gutscheine bei der Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln haben die Wettbewerbszentrale i m Berichtsjahr beschäftigt: Ein Apotheker gab an Kunden bei der Einlösung von Kassenrezepten Lose aus. Zu den Gewinnen, die freigerubbelt werden mussten, gehörte auch ein Einkaufsgutschein über 1,00 Euro. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellte einen Verstoß gegen die Preisbindung nach § 78 AMG fest, die nach der Rechtsprechung des BGH auch dann vorliegt, wenn das Arzneimittel zwar zum festgesetzten Preis abgegeben wird, der Kunde aber sonstige Vorteile erhält, die den Erwerb des Arzneimittels für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen. Einen solch wirtschaftlichen Vorteil sah das Gericht in dem Rubbellos, unabhängig von der Gewinnchance. Auch die „Spürbarkeit“ des Verhaltens bejahte das Gericht. Es verwies dabei auf die seit dem 13.08.2013 geltende Fassung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG, nach der die heilmittelrechtliche Zulässigkeit von Zuwendungen verschärft und im letzten Halbsatz ausdrücklich geregelt wurde, dass Zuwendungen stets unzulässig sind, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 10.07.2014, Az. 6 U 32/14; F 4 0827/13). Auch der von einer Apotheke beim Erwerb von Arzneimitteln abgegebene Gutschein für zwei Brötchen verstößt gegen die Arzneimittelpreisverordnung und damit auch gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (LG Darmstadt, Urteil vom 04.12.2014, Az. 19 U 327/14; F 4 09523/14, nicht rechtskräftig).

Um die Ausweitung des Apothekensortiments ging es in einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 28.10.2014, Az. I 20 U 159/13; F 4 0171/11). Das OLG Düsseldorf vertrat die Auffassung, dass weder ein Reisenähset noch eine Umhängekühltasche oder ein Alu-Stabfeuerzeug zu den Waren gehören, die in Apotheken verkauft werden dürfen. Dazu bedarf es nach der Apothekenbetriebsordnung eines greifbaren Gesundheitsbezuges der Gegenstände; den verneinte das OLG. Derzeit lässt die Wettbewerbszentrale klären, ob das Stechen von Ohrlöchern und der Verkauf von Ohrsteckern in Apotheken apothekenübliche Dienstleistungen bzw. Waren im Sinne der Apothekenbetriebsordnung sind (LG Wuppertal, Az. 15 O 19/14; F 4 0627/14). Bei Redaktionsschluss lag noch keine Entscheidung vor.


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